Die Gruppenarbeit
Atem und Bewegung
Wer einer Middendorf-Atemgruppe zuschaut, mag sich zunächst an ost-asiatische Übungen wie im Qui-Gong oder Thai-Chi erinnert fühlen. Wie dort, entstehen auch in unseren Übungen Beweglichkeit, gutes Körpergefühl und -bewusstsein sowie ein guter energetischer Fluss. Da in unserer modernen Zeit der Körper sehr unbewusst ist, gibt es zudem viele Übungen, die gezielt auf bestimmte Körperregionen wirken: mittels sanfter und starker Dehnungen, Druckpunktarbeit und Übungen für die Wirbelsäule wird der Aufbau einer guten Haltung und Aufrichtung gefördert. Schon diese wohltuende Arbeit verändert den Körper zum Positiven.
Dazu kommt mehr und mehr ins Bewusstsein, wie der Atemfluss, die Atembewegung sich vertiefen und im Körper spürbar werden. Der Atem wird konkret als Bewegung erfahren. Und hier kommt eine Unterscheidung zu den östlichen Schulen zum Vorschein: Es ist der eigene, ganz individuelle Atemrhythmus, der uns bewusst wird.
Wir arbeiten in der Gruppe auf Hockern sitzend, im Stehen, auf dem Boden sowie in freier Bewegung.
In der Middendorf-Arbeit geht es weder um eine willentliche Technik oder Kontrolle des Atems sondern um viel mehr: die Entdeckung des eigenen, ursprünglichen unbewussten Atems. In dieser Bewusstmachung liegt der Schlüssel zur Veränderung: Der Übende lernt, den Atem loszulassen und zuzulassen. Bisher geschwächte Körperregionen profitieren von der entstehenden Atemkraft, während verspannte Gegenden (oft z.B. die Schultern) sich im Ausatem lösen. So entwickelt sich auch immer mehr ein Gefühl dafür, ja es entsteht geradezu ein Bedürfnis, diese neue Haltung mit in den Alltag zu nehmen, sei es im Haushalt, im Büro oder bei der Bewältigung körperlicher Lasten. Der eigene lebendige Atemrhythmus kommt in Einklang mit Bewegungsformen, die nicht uniform sind, sondern im Gegenteil sehr individuell. Sie entdecken Ihren eigenen Atemrhythmus: Einatem, Ausatem und Atemruhe. Diesen gesammelt zu erleben bewirkt ein strömendes, zentriertes Leibempfinden. Es ist mit Worten nur ungenügend zu beschreiben, umfasst jedoch die Begriffe „Entspannung, Stressabau, Zentrierung, Erdung, Leichtigkeit und Kraft” und geht zugleich darüber hinaus, da es die eigene Seele angenehm berührt und durchaus auch fröhlich macht.
Viel kann so entstehen:
- Wie ist es, den Boden unter den Füßen atmend wahrzunehmen? Vertrauen und Sicherheit sind spürbar.
- Wie ist es, wenn Beine, Becken und Wirbelsäule lebendig werden? Eine neue, bewusste Aufrichtung entwickelt sich. Eine wohlige Wärme entsteht oder die Lebenslust nimmt zu: man möchte eine Nacht durchtanzen!
- Wie ist es, wenn der obere Atemraum bewusst wird? Kann der Ausatem fliessen? Wie schön die Schultern sich senken! Kraftvolle Gelassenheit entsteht — und manchmal entsteht daraus auch eine Intuition.
Dieses sind nur einige Momentaufnahmen — unzählige weitere Atemerfahrungen sind möglich. Der Körper möchte gerne atem-bewusst werden! Fängt man einmal damit an, ruft er geradezu danach! Es gibt manchmal eine Scheu, öfter bei Männern als bei Frauen, auf diese körperlich-geistige Entdeckungsreise zu gehen. Ich kann nur sagen: Wenn Sie sich dem eigenen Atem zuwenden, werden Sie sich bald fragen, warum Sie es so lange aufgeschoben haben. Und, was uns Männer betrifft: Wir haben gelernt, aktivere Väter und partnerschaftlichere Männer zu sein. Was uns noch fehlt, ist ein neues Selbst-Bewusstsein. Jungen bzw. Männern werden immernoch längst überkommene Rollenklischées aufgedrückt, die nicht mehr in die Lebenswirklichkeit passen. Die Entdeckungsreise nach innen ist ein spannendes Abenteuer! So wächst gelassenes Selbstbewußtsein von INNEN.
Die Ziele, die unsere technikgläubige Zeit mit vielen Methoden anvisiert: Entspannung, Stressbewältigung, Wellness, Rückenschule, Haltungsaufbau usw. sind in der Middendorf-Arbeit enthalten und werden nicht nur bestens erreicht, sondern die Middendorf-Arbeit liefert alles zugleich wie nebenbei. Sie geht aber noch entscheidend darüber hinaus: Atemarbeit verhilft Ihnen zu einer neuen inneren und äußeren Haltung, getragen von Ihrem eigenen Rhythmus.